Wissenswertes

Genetische Diagnostik

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Eine sorgfältige pränatale Diagnostik ist die Grundlage für eine optimale und individuelle Betreuung jeder Schwangerschaft. Bei Bedarf kann eine moderne genetische Diagnostik hilfreich sein.

Die möglichen Gründe für eine Abklärung genetischer Erkrankungen sind vielfältig:

  • bei auffälligen Befunden im Ersttrimesterscreening oder im differenzierten Ultraschall
  • bei höherem Alter der Schwangeren
  • bei familiärer Vorbelastung mit einer schweren angeborenen genetischen Erkrankung
    oder auch
  • bei einem hohem Sicherheitsbedürfnis

Für die meisten genetischen Fragestellungen ist eine diagnostische Punktion sinnvoll. Denn anhand des gewonnenen Materials lassen sich alle modernen genetischen Untersuchungen durchführen.

In Einzelfällen kann auch der nicht-invasive Pränataltest/NIPT („Bluttest“) zur Klärung der Situation beitragen.

Diagnostische Punktionen sind doch gefährlich oder … ?

Nach wie vor ist die Ansicht weit verbreitet, dass diagnostische Punktionen („invasive Diagnostik“) ein Fehlgeburtsrisiko von bis zu 1 % mit sich bringen. Diese Zahl stammt aus Studien aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die mit der heutigen Realität nichts mehr zu tun haben. Die damaligen Ultraschall- und Punktionstechniken sind mit den modernen Methoden von heute nicht vergleichbar.

Aktuelle Daten der letzten Jahre aus mehreren großen europäischen Zentren (vergleichbar mit dem München Klinikum Harlaching) der letzten Jahre bestätigen ein extrem geringes Fehlgeburtsrisiko bei allen Untersuchungsverfahren:

Akolekar (2015 UOG),  Wulf_Tabor (2016 UOG), Scharf (2018 Frauenarzt),  Salomon (2019 UOG), Beta_Akolekar (2019 UOG) .

Tatsächlich liegt das eingriffsbedingte Risiko einer Fehlgeburt durch eine diagnostische Punktion – bei korrekter Durchführung und ausreichender Erfahrung – im Bereich von 1:1000 (0,1%) und damit im statistisch nicht messbaren Bereich.

Wie läuft eine Punktion ab und was muss ich beachten?

Aus organisatorischen Gründen führen wir die diagnostischen Punktionen im Rahmen meiner Tätigkeit im München Klinikum Harlaching durch. Die genaue Adresse und weitere Informationen erhalten Sie im Rahmen der Terminvereinbarung.

Für die gewünschten genetischen Untersuchungen wird lediglich eine geringe Menge fetaler Zellen benötigt. Diese können aus dem Mutterkuchen (Chorionzottenbiopsie, ab der 12. Woche), dem Fruchtwasser (Amniozentese, ab der 16. Woche) oder später in der Schwangerschaft aus fetalem Blut (Nabelvenenpunktion, ab der 20. Woche) gewonnen werden.

Bei allen Verfahren führen wir eine feine Nadel unter laufender Ultraschallkontrolle durch die Gebärmutterwand, durch die das erforderliche Material entnommen wird. Die Punktion ist kaum schmerzhafter als eine Blutentnahme und dauert weniger als 1 Minute. Eine örtliche Betäubung ist daher nicht notwendig. Nach einer kurzen Ruhezeit können Sie wieder nach Hause fahren.

Bereits einige Tage vor der Punktion sollten Sie regelmäßig Magnesium einnehmen (ca. 2 x 300 mg/Tag), um die Gebärmutter optimal zu entspannen. Alle gängigen Präparate mit ausreichender Dosierung sind hierzu geeignet. Auch nach der Punktion ist die Magnesium-Einnahme für einige Tage sinnvoll.

Am Tag der Punktion und den darauffolgenden Tag sollten Sie sich schonen. Sie erhalten hierfür von uns eine Krankschreibung. Bitte stellen Sie sich zudem in den ersten Tagen nach der Punktion bei Ihrer Frauenärztin/ihrem Frauenarzt für eine kurze Ultraschallkontrolle vor.

Was kann im genetischen Labor untersucht werden und wann liegen die Ergebnisse vor?

Das jeweils entnommene Material wird in einem genetischen Labor weiter aufbereitet und untersucht.

Zunächst werden die Zahl und die Struktur der Chromosomen (Träger der Erbinformationen) unter dem Lichtmikroskop beurteilt, vergleichbar mit einem Lexikon, dessen Bände gezählt und von außen nach sichtbaren Mängeln genau untersucht werden.

Dies kann bei der Chorionzottenbiopsie bereits am nächsten Tag erfolgen.

Aus Fruchtwasser (Amniozentese) muss zunächst eine Zellkultur angelegt werden, die nach etwa 2 Wochen beurteilt werden kann.

Um hier zeitnah die häufigsten Chromosomenstörungen abzuklären, bietet ein zuverlässiger Schnelltest (FISH-Test) schon nach 1 bis 2 Tagen eine erste Sicherheit. Dieser Test ist nicht Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherungen, die Kosten gemäß GOÄ durch das ausführende Labor liegen bei ca. 146.- EUR.

Aus fetalem Blut (Nabelvenenpunktion) liegen die Ergebnisse bereits nach wenigen Tagen vor.

Zusätzliche molekulargenetische Untersuchungen

Auf Wunsch oder bei gezielten genetischen Fragestellungen können weiterführende molekulargenetische Untersuchungen aus dem vorhandenen Material erfolgen, also das Erbgut auf molekularer Basis beurteilt werden.

Dies betrifft z. B. die Methode der sogenannten Array-CGH oder CHIP-Diagnostik, mit der das Auflösungsvermögen für Chromosomenfehler um den Faktor 100 erhöht werden kann. Hiermit werden alle Chromosomen auf kleine Fehlerstellen, sogenannte Mikrodeletionen oder -duplikationen, untersucht. Um beim Beispiel des Lexikons zu bleiben: diese Untersuchungstechnik entspricht dem Durchzählen aller Seiten eines Lexikons.

Etwa 1 von 200 Neugeborenen hat eine relevante Erkrankung/Entwicklungsstörung, die durch eine Mikrodeletion oder -duplikation bedingt ist. Diese Erkrankungen können mit dieser molekulargenetischen Untersuchung ausgeschlossen werden. Sie entspricht dem aktuellen Stand der Technik zur Beurteilung von Chromosomenfehlern, ist derzeit aber während der Schwangerschaft noch nicht im Leistungsumfang der Krankenversicherungen enthalten. Die Kosten hierfür durch das untersuchende Labor liegen gemäß GOÄ bei ca. 994,– Euro.

Falls weitere gezielte molekulargenetische Untersuchungen durch eine sogenannte Multi-Gen-Panel-Diagnostik bis hin zum sogenannten klinischen Exom (vergleichbar mit der Untersuchung der Rechtschreibfehler in einem Lexikon) erforderlich sind, können diese ebenfalls aus dem vorhandenen Material in 1–2 Wochen gemacht werden. Gegebenenfalls wird die Kostenübernahme vorab mit der Krankenversicherung geklärt.